Warum mich ein Kompliment tief berührt hat
Kürzlich nach einem Konzert kam eine ältere Dame zu mir. Sie sagte: „Ich hatte im Vorfeld etwas Angst, weil Ihre Texte auf Englisch sind, aber ich habe sie so gut verstanden. Sie erzählen Geschichten, und man versteht nicht nur die Emotion, sondern jedes Wort. Ich konnte richtig mitgehen. Vielen Dank für dieses Erlebnis!“ Diese Worte haben mich tief berührt. Sie bedeuten mir so viel, weil genau das mein Wunsch ist: Dass Menschen mit meinen Songs nicht nur einen schönen Klang erleben, sondern echte Geschichten mit mir teilen.
Ich schreibe meine Texte, weil ich etwas sagen will, weil ich das, was mich bewegt, in Worte und Töne packen möchte. Wenn das wirklich ankommt, wenn die Menschen die Geschichte fühlen und verstehen, dann ist das für mich Magie.
Vielleicht sollte ich zuerst erklären, warum ich auf Englisch schreibe, obwohl Deutsch meine Muttersprache ist. Die Antwort ist einfach: Englisch singt sich für mich leichter. Die Musikrichtung, die mich sängerisch am stärksten geprägt hat, ist der Jazz, und all das Repertoire, zu dem ich zu Beginn Zugang hatte, war überwiegend englischsprachig. Nur ab und zu ein Stück auf Portugiesisch oder Französisch. Ich habe unzählige Stunden damit verbracht, englische Songs zu singen. Englisch wurde die Sprache, in der ich das Singen gelernt, geübt und verinnerlicht habe. Dazu kommt, dass ich als Jugendliche einige Zeit in Kanada gelebt habe. Englisch wurde für mich selbstverständlich, nicht nur im Alltag, sondern auch als Sprache meiner Gedanken und Gefühle. Deshalb fühlt sich Englisch bis heute wie ein vertrauter Ausdrucksraum an.
Mir ist es wichtig, dass Menschen verstehen, was ich singe und schreibe. Dass sie nicht nur zuhören, sondern sich wirklich angesprochen fühlen. Dieses Bedürfnis begleitet mich schon sehr lange. Ich erinnere mich an ein Konzert in meiner Kindheit, das mich tief geprägt hat. Es war Winter, und in einer eiskalten Kirche wurde das Weihnachtsoratorium von Bach gesungen. Ich war noch klein, saß zwischen meinem Papa und meiner Schwester und war völlig fasziniert von der Musik. Die Sängerinnen und Sänger sangen so kraftvoll, dass bei jedem Ton kleine Nebelwolken aus ihrem Atem aufstiegen. Erst im letzten Stück bemerkte ich, dass die ganze Zeit auf Deutsch gesungen worden war. Ich hatte es nicht erkannt. Die Musik war wunderschön, aber ich hatte den Text nicht verstanden. Dieses Gefühl, etwas Wesentliches zu verpassen, machte mich damals traurig und ein wenig wütend. Vielleicht ist es genau deshalb heute mein Wunsch so klar. Ich möchte, dass meine Texte gehört und verstanden werden, damit aus Musik echte Verbindung entstehen kann.
Damit ein einzelnes Wort oder ein Klang etwas bewegen kann, möchte ich erklären, wie ich arbeite und was mir dabei wichtig ist.
Ich singe, was ich kenne. Meine Songs erzählen von meinen eigenen Erlebnissen und Gefühlen. Ich feile lange an den Texten, ändere Worte, probiere neue Formulierungen, bis alles genau ausdrückt, was ich sagen möchte. Dieses bewusste Achten auf Sprache beeinflusst auch meine Artikulation. Ich singe deutlich, weil ich möchte, dass man versteht, was ich erzähle. Es geht mir nicht nur um schöne Melodien oder vage Stimmungen, sondern um echte Geschichten, die berühren. Für mich gelingt das vor allem durch Klarheit.
Meine Gesangsausbildung spielt dabei eine wichtige Rolle. Viele Jahre habe ich mich intensiv mit Klangfarbe, Vokalen und Artikulation beschäftigt. Vielleicht klingt das nerdig, aber ich finde es faszinierend, wie eine kleine Veränderung im Mund einen ganz anderen Klang erzeugen kann. Ich wurde am Rabine Institut sehr intensiv darin angeregt, mich mit Frequenzen zu beschäftigen. Ich habe gelernt, welche Frequenzen zur Vokalfarbe gehören und welche zur eigentlichen Klangfarbe. Beide lassen sich voneinander getrennt betrachten und sich auch getrennt hörebar. Es braucht Freude am Sound, Übung im Hören und vor allem Zeit, um diese Feinheiten der Wahrnehmung wirklich zuzuordnen. Diese Arbeit hilft mir, meine Stimme bewusst einzusetzen und gleichzeitig natürlich zu bleiben. Für mich geht es nicht nur um einen schönen Klang, sondern auch darum, dass die Geschichte im Klang nicht untergeht.
Auch die Ansagen auf der Bühne sind ein wesentlicher Teil meiner Musik. Sie sind nicht nur kleine Pausen zwischen den Stücken, sondern Brücken zu meinem Publikum. Ich erzähle, wie ein Lied entstanden ist, welche Erlebnisse oder Gefühle mich inspiriert haben und warum ich genau diese Worte gewählt habe. Manchmal teile ich kleine Anekdoten aus dem Alltag, Bilder, die beim Schreiben eines Songs in meinem Kopf entstanden sind, oder Momente, die den Song für mich besonders machen. Ich sehe, wie Zuhörerinnen und Zuhörer nicken, lächeln, die Augen schließen, und genau in diesen Momenten spüre ich die Verbindung, die Musik möglich macht. Ansagen erlauben mir, die Distanz zwischen Bühne und Publikum zu überwinden und verwandeln einzelne Lieder in ein gemeinsames Erlebnis, in dem sich Geschichten entfalten und Gefühle geteilt werden.
Am Ende geht es für mich um Verbindung. Zu mir selbst, zu meiner Band, zur Musik und zu den Menschen, die zuhören. Worte sind dafür ein zentrales Werkzeug. Sie schaffen Bedeutung, transportieren Gefühle und bauen Brücken. Wenn durch einen Song, einen Klang oder ein einzelnes Wort etwas in Bewegung gerät, dann ist das für mich das Schönste. Genau dafür mache ich Musik.
Wenn ich dann an das Kompliment der älteren Dame zurückdenke, schließt sich der Kreis. All die Stunden des Schreibens, Übens, Hörens und Sprechens auf der Bühne, all die Arbeit an Klangfarbe, Artikulation und Ausdruck führen genau dorthin, wofür Musik gedacht ist: in die Herzen und Köpfe der Menschen. In diesen Momenten spüre ich, dass alles, was ich tue, Bedeutung bekommt. Dass all die Mühe und jede kleine Entscheidung auf der Bühne lebendig wird. Diese Verbindung ist es, die meine Musik trägt, die sie lebendig macht, und sie ist es, die mich jeden Tag wieder auf die Bühne zieht.
Und genau an diesem Punkt wird für mich klar, warum Musik für mich mehr ist als Klang. Es ist die Möglichkeit, Menschen zu erreichen, Geschichten zu teilen und gemeinsam etwas zu erleben, das größer ist als wir selbst. Wenn ein einziges Wort, ein Ton oder ein Satz etwas bewegt, dann spüre ich, dass all die Arbeit, das Üben und das Hinhören, all die Zeit auf der Bühne und hinter den Kulissen, einen Sinn ergeben. Und genau diese Momente sind es, die mich immer wieder antreiben, Musik zu machen.