Vom Druck zur Freude. Mein Weg mit der Technik.
Technik ist kein Käfig. Technik ist ein Spielplatz.
Wenn ich früher das Wort Technik hörte, dachte ich an Regeln. An richtig und falsch. An etwas, das man beherrschen muss, bevor man überhaupt das Recht hat zu singen. Ich stellte mir vor, wie ich durch ein enges Raster passen muss, um „gut genug“ zu sein. Vielleicht kennst du dieses Gefühl: Du stehst im Unterricht, atmest bewusst, richtest dich auf, denkst an deine Zunge, deinen Kiefer, dein Zwerchfell. Und plötzlich ist sie weg. Die Emotion. Oder zumindest die Leichtigkeit, die dich eigentlich zum Singen gebracht hat. Heute sehe ich das anders. Technik ist für mich kein Regelwerk mehr, kein Pflichtprogramm, das abgearbeitet werden muss. Technik ist ein Spielplatz.
Um zu verstehen, wie ich das meine, versetze dich ein paar Jahre zurück in deine Kindheit. Stell dir vor, du stehst zum ersten mal vor einem Spielplatz.
Du schaust hinauf zum hohen Kletterturm spürst die warme Sonne auf deiner Haut und hörst das fröhliche Lachen und Toben der anderen Kinder. Die Schaukeln wiegen sich sanft im Wind und das bunte Karussell dreht sich langsam im Kreis. Neugierig und zugleich ein wenig vorsichtig gehst du langsam auf die Geräte zu. Du tastest dich vor wie eine kleine Entdeckerin, die zum ersten Mal neues Land betritt. Deine Hand greift nach der Stange und du spürst die raue Oberfläche unter deinen Fingerspitzen. Dann wagst du den ersten Schritt auf die wackelige Leiter. Dein Herz schlägt schneller und deine Aufregung, aber auch dein Mut wächst. Manchmal rutschst du aus oder verlierst kurz den Halt und fällst fast. Doch du stehst wieder auf und versuchst es noch einmal. Mit jedem Mal werden deine Bewegungen sicherer und leichter, bis das Klettern fast wie Fliegen wird.
Du spielst nicht, weil du schon perfekt bist, sondern weil das Entdecken und Lernen das Abenteuer ist und den Spaß ausmacht.
Du beobachtest die anderen Kinder und siehst, was sie schon können. Dabei entdeckst du, dass auch du auf diese Weise spielen kannst. Irgendwann wird der kleine Spielplatz langweilig, weil du dort schon alles beherrschst. Doch um die Ecke wartet ein anderer Spielplatz mit einem noch größeren Klettergerüst und einer Seilbahn. Weil du das Prinzip bereits kennst, gehst du selbstbewusst dorthin und beginnst zu erforschen, welche neuen Möglichkeiten dieser Ort dir bietet. Es ist zwischendurch super schön, auch wieder zum alten Spielplatz zurückzukehren, dort zu spielen, was du schon erforscht hast, und dich darüber zu freuen, dass du das kannst. Und es ist auch absolut okay, wenn du gar nicht auf die Spitze klettern möchtest, sondern die Rutsche dir einfach genügt!
So wie damals auf dem Spielplatz verstehe ich Technik beim Singen als einen Raum zum Spielen, Forschen und Wachsen. Wenn ich eine neue Klangqualität entdecke, ist das wie ein neues Spielgerät, das plötzlich auftaucht, etwas, das vorher im Schatten stand und das ich gar nicht bemerkt hatte. Jetzt will ich wissen, wie es funktioniert. Ich probiere es aus, lasse mir Zeit, falle vielleicht nochmal runter, stehe wieder auf und mache weiter.
Das mache ich so lange, bis es mir so vertraut wird, dass Ich es selbstbewusst als einen Teil von mir nutzen kann.
Manchmal ist mein Klangwunsch so weit weg von dem, was ich gerade kann, dass ich jemanden brauche, der mir zeigt, wie ich Schritt für Schritt dorthin komme. Und manchmal brauche ich auch jemanden, der mir neue Klangwelten eröffnet. Ich liebe diese Momente und deshalb gehe ich auch immer noch regelmäßig in den Gesangsunterricht, um meinem eigenen Entdeckerdrang nachzukommen.
Natürlich begegnen uns in verschiedenen Musikrichtungen bestimmte Klangvorstellungen. Jazz klingt anders als Rock, Pop anders als Klassik. Wer diese Stile bedienen möchte, sollte ihre Sprache in Klang und Rhythmik verstehen und sprechen können. Aber genau deshalb ist es so wichtig, dass Technik nicht von Anfang an an eine bestimmte Ästhetik gebunden ist. Sie ist das, was uns überhaupt erst ermöglicht, zwischen diesen Klangwelten zu wechseln. Unsere Stimme hat nicht nur eine Farbe. Sie kann leuchten, flüstern, singen, seufzen, klingen wie weicher Samt oder rau wie Asphalt. Sie kann ein großes Frequenzspektrum abdecken, mit einem kräftigen Grundton und funkelnden Obertönen. Gleichzeitig kann sie auch ein kleines, fokussiertes Frequenzfenster nutzen, das in besonderen Momenten seinen ganz eigenen Reiz entfaltet. Wenn wir beginnen, mit all diesen Facetten spielerisch zu experimentieren, öffnen sich neue Klangwelten in uns. Welten, die wir entdecken und gestalten dürfen. Erst wenn ich diese Möglichkeiten kenne, kann ich mich bewusst entscheiden, wo ich mich aufhalten will. Ob ich in einem bestimmten Stil zuhause bin oder mir meinen eigenen Klangraum baue.
Technik schenkt mir die Freiheit mich auszudrücken so wie ich gerade empfinde. Sie macht meine Stimme verlässlich und vielseitig ohne sie einzuengen. Sie ist nicht das Ziel.
Technik ist der Boden unter den Füßen der mir Sicherheit gibt
während ich springe rutsche schaukle und balanciere. Und genau wie auf dem Spielplatz festige ich dabei nicht nur Bewegungsabläufe, sondern ich entdecke auch immer wieder neue Facetten meiner Stimme und neue Ausdrucksmöglichkeiten die ich vorher nicht kannte. Technik wird so zu meinem Begleiter auf einer Reise voller Abenteuer Entdeckungen und Freiheit.
Die Rutsche hochzulaufen? So fangen Abenteuer an.
Mach mal was anders als sonst! Vielleicht überrascht dich, was dabei passiert. Und wer weiß: Könnte sein, dass es Spaß macht.