Kultur braucht kein Mitleid, sondern Mut, Wertschätzung und Unterstützung

Kultur ist ein Lebensnerv unserer Gesellschaft. Sie inspiriert, verbindet, hinterfragt und lässt uns gemeinsam wachsen. Doch was viele Menschen nicht sehen: Damit Kultur sichtbar wird, braucht es weit mehr als Bühne, Mikrofon und ein gutes Konzept. Es braucht Räume, Strukturen und vor allem Menschen. Menschen, die sich mit Herzblut einbringen, oft ehrenamtlich, mit unzähligen Stunden Engagement im Gepäck. Menschen, die Kultur in ihrer Stadt mittragen, weil sie an ihren Wert glauben.

Ich lebe in Karlsruhe, einer Stadt, die kulturell viel zu bieten hat. Hier gibt es etablierte Institutionen und gleichzeitig eine lebendige freie Szene. Es gibt Festivals, Lesungen, Ausstellungen, Konzerte. Und es gibt viele, die diese Vielfalt ermöglichen: durch Organisation, durch Mitdenken, durch Mitmachen. Doch genau diese Basis steht aktuell auf wackligen Füßen.

Wenn Sparmaßnahmen die Luft zum Atmen nehmen

In Karlsruhe wird gespart. Der Gemeinderat hat ein Haushaltskonsolidierungspaket beschlossen, das auch vor dem Kulturbereich nicht Halt macht. Die institutionelle Förderung soll pauschal um 1,3 Prozent gekürzt werden. Betroffen sind unter anderem Stadtbibliothek, Museen und Theater. Noch gravierender ist die Kürzung bei projektbezogener Förderung: minus 15 Prozent. Das klingt nüchtern, ist aber ein Schlag ins Gesicht für viele kleine Initiativen, die genau hier ansetzen. Genau dort, wo Neues entsteht, wo sich junge Künstlerinnen und Künstler ausprobieren, wo oft ehrenamtlich mitgedacht und mitgetragen wird.

Viele in der Szene sprechen von einer tiefen Verunsicherung. Was bedeutet das für das nächste Jahr? Welche Projekte können noch realisiert werden? Wer wird am Ende bleiben und wer aufgeben müssen?

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache:

  • Der gesamte Kulturetat der Stadt beträgt 63,1 Millionen Euro.

  • Nur 1,6 Millionen Euro davon gehen an den freien Kulturring.

  • 90 Prozent der städtischen Kulturfördermittel fließen an drei Großinstitutionen: das Badische Staatstheater, das ZKM und die Volkshochschule.

  • Eine Kürzung um lediglich 10 Prozent beim Kulturring entspricht 160.000 Euro – und genau diese Summe würde das Aus für mindestens acht Einrichtungen bedeuten: KOHI, Sau e.V., Sandkorn, tanzareal, dokka, Filmboard, PRIDE PICTURES und die Kinemathek.

Diese Zahlen stammen von der Initiative gehtsnochkarlsruhe.de und zeigen, wie drastisch die Auswirkungen für die freie Szene wären. Dabei möchte ich betonen, dass es nicht darum geht, den großen Institutionen weniger Mittel zuzusprechen, denn sie leisten ebenfalls wichtige und wertvolle Arbeit. Aber wir in der freien Szene sind ebenso ein unverzichtbarer Teil des kulturellen Gefüges und verdienen daher eine angemessene und faire Unterstützung. Kultur ist kein Bonus, den man je nach Haushaltslage verteilen kann, sondern eine Grundvoraussetzung für eine lebendige und vielfältige Gesellschaft.

Kultur ist kein Bonus

Was oft übersehen wird: Viele dieser Projekte leben vom Engagement freiwilliger Helferinnen und Helfer. Menschen, die nach Feierabend Technik machen. Menschen, die Künstlerinnen und Künstler betreuen, die Essen kochen, Bühnen aufbauen, Programme schreiben. Ohne dieses Ehrenamt wäre kulturelles Leben, wie wir es kennen, längst nicht denkbar. Doch Ehrenamt braucht Rahmen. Es lebt von Sinn, Gemeinschaft und Austausch, aber auch von Struktur. Wenn diese Struktur durch Kürzungen bröckelt, trifft das auch das Ehrenamt ins Mark. Denn es ist nicht die Aufgabe Freiwilliger, die Lücken zu stopfen, die durch politische Sparmaßnahmen entstehen.

Was mich besonders bewegt: Dass Kultur in Zeiten angespannter Haushalte wieder einmal als kürzbar gilt. Als wäre sie eine nette Beilage und kein essenzieller Bestandteil demokratischer Gesellschaft. Dabei wissen wir: Kultur schafft Räume für Begegnung. Für Perspektivwechsel. Für Bildung, Teilhabe und Miteinander. Gerade in Zeiten gesellschaftlicher Spaltung ist es wichtiger denn je, dass es Orte gibt, an denen wir uns jenseits von Meinungsblasen begegnen können. Orte, an denen wir zuhören, erleben, mitfühlen. Orte, an denen wir gemeinsam gestalten, unabhängig von Herkunft, Einkommen oder Alter.

Für mich als Sängerin bedeutet das ganz konkret: Wenn die freien Einrichtungen und Initiativen wegbrechen, verlieren wir Bühnen, Proberäume und Netzwerke, die essenziell sind, um neue Musik zu entwickeln und zu teilen. Die Möglichkeiten für Auftritte werden seltener, das Publikum kleiner und die künstlerische Vielfalt leidet. Das trifft nicht nur mich, sondern viele Kolleginnen und Kollegen, die ihren Weg in der Musik oft abseits der großen Institutionen suchen. Es geht also um den Erhalt von Räumen, in denen individuelle Stimmen wachsen und gehört werden können.

Was es jetzt braucht? Es braucht mutige politische Entscheidungen, die Kultur nicht als Kostenfaktor betrachten, sondern als Investition in den sozialen Zusammenhalt. Es braucht Fördermodelle, die auch kleinen, freien Projekten langfristige Perspektiven bieten. Und es braucht eine Anerkennung des Ehrenamts, die über warme Worte hinausgeht, zum Beispiel durch die landesweite Ehrenamtskarte, durch Sichtbarkeit und durch bessere Rahmenbedingungen. Und es braucht Menschen, die sich einmischen. Die nicht schweigen, wenn Kultur unter die Räder gerät. Die ihre Stimme erheben für das, was ihnen wichtig ist.

Wenn wir wollen, dass Kultur auch morgen noch da ist, lebendig, vielfältig, nahbar, dann müssen wir heute dafür einstehen. Denn Kultur stirbt nicht plötzlich. Sie stirbt leise. Erst verschwindet ein Projekt. Dann eine Bühne. Dann eine Idee.

Lasst uns das nicht zulassen.

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Blick Hinter die Kulissen