17 Leute: EINFACH Energie
Meine allererste Begegnung mit Bigbandmusik hatte ich im Film When Harry Met Sally. Plötzlich war da dieser Klang, schimmernd, voller Schwung, ein bisschen so, als würde die Luft im Raum anfangen zu glitzern. Etwas in mir wurde neugierig, als hätte jemand eine Tür geöffnet, hinter der eine Welt voller Farben wartet. Ich wusste noch nicht, dass mich das hierhin führen würde, aber ich spürte: da ruft mich etwas.
Zuhause war ich von einer ganz anderen Klangwelt umgeben. Wir waren eher klassisch geprägt. Blechbläser, Symphonien, alles kraftvoll, aber für mich fühlte es sich eher ernst an. Popmusik? Fast nicht vorhanden. Und doch gab es eine Ausnahme. Blood, Sweat & Tears stand da, wie ein lustiger fremder Besucher zwischen all den klassischen CDs. Ok, streng genommen war das auch kein Pop-Unikat, denn wir hatten noch eine Whitney Houston-CD und, soweit ich mich erinnere, auch eine von Lisa Stansfield. Wahrscheinlich gab es noch mehr, aber in meiner Erinnerung höre ich eigentlich nur Blood, Sweat & Tears und Whitney Houston. Nicht das schlechteste ;-)
Oh, das stimmt nicht. Vor meinem Big Band Erlebnis gab es Peter Igelhoff. Den will ich euch nicht unterschlagen. Das war sozusagen meine Kinderlieder-Welt. Ich liebte diese fröhlichen Melodien, diesen Witz, der sofort gute Laune machte. Wenn ich jetzt daran denke, wird mir klar, dass das einiges erklärt… Um dich mitzunehmen schreib ich dir gleich mal die Lyrics von meinem liebsten „Kinderlied“ auf.
Ene mene mink mank pink pank, ene mene.
Jeder lebt auf seine Art, sei es mit, sei's ohne Bart,
Und will auf seine Weise lustig sein.
Jeder hat das Recht dazu, er und sie und es und du,
Ihr alle sollt euch eures Lebens freu'n!
Was and're dürfen, darf auch ich, drum amüsier' ich mich!
Wenn ich vergnügt bin, dann muss ich singen,
Wo ich auch bin, soll mein Liedchen erklingen:
Ene mene mink mank pink pank,
Ene mene acka tacka eia weia weg!
Woll'n's auch die ander'n Leut nicht hören,
ich singe heiter und lass' mich nicht stören:
Ene mene mink mank pink pank,
Ene mene acka tacka eia weia weg!
Wenn Ich Vergnügt Bin, Muss Ich Singen von Peter Igelhoff, 1938.
Ist das nicht ein fantastisches Motto. Halte mich heute noch dran. Aber ich schweife ab ;-) Also zurück zur Big Band…
Blood, Sweat & Tears traf mich mitten ins Zentrum. Diese Stimmen, diese Bläser, diese raue Energie, die plötzlich alles zum Vibrieren brachte. You’ve Made Me So Very Happy und Lucretia McEvil wurden zu meinem Soundtrack. Ich hörte sie rauf und runter, bis jede Phrase in meinem Körper steckte wie eine zweite Haut. Jahre später, längst erwachsen, spielten sie tatsächlich in Karlsruhe. Nur noch ein Originalmitglied stand auf der Bühne, aber die Funken sprangen immer noch. Ich nahm meinen Dad mit, und zum Glück war die Musik laut genug, dass wir an den besten Stellen mitsingen konnten. Ein Erlebnis, das ich nie vergessen werde, unfassbar tolles Konzert.
Aber irgendwann reichte das nicht mehr.
Ich wollte tiefer eintauchen.
Da fiel mir die Ella & Louis on Verve-Platte in die Hände. Und plötzlich war sie in meinem Leben: Ella Fitzgerald. Ihr glitzernder Gesang über einem Meer von Bläsern, diese Mischung aus Wärme, Freiheit und purer Eleganz, hat mich sofort mitgenommen. Von da an war klar, sie ist meine Königin. Kurzzeitig hat ihr diesen Platz Britney Spears streitig gemacht, aber das ist eine andere Geschichte, sonst wird der Blog noch länger.
Wer mitten in einer Bigband steht, spürt sofort, wie großartig es ist, Teil dieses mächtigen Sounds zu sein. Trompeten, Posaunen und Saxophone verschmelzen mit der Rhythmusgruppe zu einer Welle, die den Raum füllt. Wenn die Musik anhebt, legt sich dieser Klang wie ein warmer Mantel um den Körper. Er trägt, gibt Rückhalt, lässt die Stimme strahlen, manchmal sanft, manchmal kraftvoll, immer mit einer Lebendigkeit, die in der Luft knistert. Ich habe das Glück, solche Momente genießen zu dürfen. Und im Moment ist es das Vintage Jazz Orchestra unter der Leitung von Peter Reiter, das mich gefragt hat, bei ihnen mitzumachen. Und ich liebe es.
Die Proben sind schon immer lustig und spannend. Aber die Konzerte… Vor der Bühne beginnen Menschen sich zu bewegen, mitzusingen, einfach eine gute Zeit zu haben. Diese Energie schwappt zurück, erfüllt die Bühne, macht jede Phrase leichter, jedes Lachen echter. Wir geben hinaus, das Publikum gibt zurück, und plötzlich hebt sich der ganze Raum. Da klatschen Banker neben Busfahrern, Architektinnen stimmen ein mit Tänzern, Generationen mischen sich, Unterschiede verschwinden. Was bleibt, ist das gemeinsame Erleben von Klang, Rhythmus und Freude.
Man könnte denken, besser als das kann es nicht werden, aber das Besondere bei den VJO-Konzerten ist, dass viele Swingtänzer:innen kommen, um mit uns ihre Leidenschaft zu teilen. Ihre Bewegungen machen unsere Musik sichtbar verwandeln Rhythmus in Körper, Freude in Bewegung. Wenn sie übers Parkett wirbeln, lachen, improvisieren, dann wird die Musik noch größer, noch lebendiger. Sie tragen uns, wie wir sie tragen. Es ist ein gegenseitiges Anfeuern, ein Spiel zwischen Klang und Körper, das nie stillsteht. Ihre Energie steckt an und gibt dem Abend eine weitere Dimension. Wir hören nicht nur, wir sehen und spüren, wie Swing gelebt wird.
Eine Bigband ist viel mehr als ein Ensemble. Sie ist ein pulsierendes Ganzes, ein Herz, das schlägt und atmet. Als Sängerin darf ich mitten in diesem Herzschlag stehen, Worte in die Musik legen und spüren, wie sie aufgenommen und weitergetragen werden. In solchen Momenten entstehen Räume, die größer sind als man selbst, voller Energie, voller Verbundenheit, voller Leben.